Von der Metall- zur Materialforschung
Der Ausbau der Keramikforschung in den 1980er Jahren verschiebt das Forschungsfeld des Max-Planck-Institut für Metallforschung in Richtung Materialwissenschaft (material science). Die multidisziplinäre Zusammenarbeit und die internationale Ausrichtung gewinnen an Bedeutung. Nach dem Fall der Mauer 1989 nimmt das Institut 1990 den ersten Metallforscher aus den neuen Bundesländern als Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied auf.
Chronik
1981: Übernahme eines Pelletronbeschleunigers
1985: Erweiterungsbau für Reinstraumtechnik
1987: Berufung des ersten nicht Deutsch als Muttersprache sprechenden Wissenschaftlers zum Direktor
1990: Erstes Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied aus den neuen Bundesländern
Chronik
1981: Übernahme eines Pelletronbeschleunigers
1985: Erweiterungsbau für Reinstraumtechnik
1987: Berufung des ersten nicht Deutsch als Muttersprache sprechenden Wissenschaftlers zum Direktor
1990: Erstes Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied aus den neuen Bundesländern
Ein Traum wird wahr: der Pelletronbeschleuniger
Schon lange wünschen sich die Forschenden am Max-Planck-Institut für Metallforschung einen Pelletronbeschleuniger zur Untersuchung und Beeinflussung von Festkörpern mittels elektrisch geladener Korpuskularstrahlen, Strahlen aus elektrisch geladenen Teilchen. Als das Mainzer MPI für Chemie einen solchen Teilchenbeschleuniger 1981 abgibt, greifen die Stuttgarter sofort zu. Der Koloss, dessen Drucktank 8,5 Meter hoch ist und einen Durchmesser von 2,5 Metern hat, braucht ein eigenes Gebäude mit Turm. Nach dessen Fertigstellung 1984 dauern Aufbau und Genehmigungsverfahren noch einmal zwei Jahre.
Im Oktober 1986 beginnt das Institut mit dem Probebetrieb. Der Drucktank stammt aus einem Van-de-Graaff-Beschleuniger, ein Gleichspannungs-Teilchenbeschleuniger, der 1943 für das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin-Dahlem gebaut wurde. Er kam in den 1950er Jahren nach Mainz, wo er in den 1970er umgebaut wurde. Der Positronenstrahl des in Büsnau erweiterten 6 MV-Beschleunigers ist Ende der 1980er Jahre der einzige seiner Art weltweit. Benutzt wird er von den Mitarbeiter*innen beider Stuttgarter MPI für neue Experimente auf dem Gebiet der „nuklearen Festkörperforschung“.
Die Anfänge der Keramikforschung am Institut
Ende der 1970er Jahre erweitert das Pulvermetallurgische Laboratorium unter Leitung von Günter Petzow sein Forschungsgebiet auf technische Keramik. Dabei wenden Petzow und sein Team metallurgische Erkenntnisse und Verfahren auf einen nichtmetallischen Werkstoff an. Die Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung finden schnell internationale Anerkennung. Um die gewonnenen Erkenntnisse praktisch nutzbar zu machen, startet die Abteilung Hochleistungskeramik zusammen mit Industrieunternehmen 1985 ein eigenes Forschungsprojekt.
Zu diesem Zweck entsteht ein Erweiterungsbau für Reinstraumtechnik, der 1988 eröffnet wird. Die Erfolge des Pulvermetallurgischen Laboratoriums inspirieren andere Abteilungen, sich mit der Hochleistungskeramik zu beschäftigen. 1987 beruft das MPI-MF mit Richard J. Brook einen Experten für Hochleistungskeramik ans Institut. Er baut ab März 1988 den Forschungsbereich Funktionskeramiken auf. 1991 wird mit Fritz Aldinger ein weiterer Fachmann für nichtmetallische anorganische Materialien mit Schwerpunkt Keramik zum Wissenschaftlichen Mitglied des Instituts berufen.
Aus der Welt ins Ländle
Das MPI für Metallforschung besitzt seit seinen Anfängen internationales Renommee. Seine Wissenschaftlichen Mitglieder rekrutiert es jedoch vornehmlich in Deutschland. Als erster nicht Deutsch als Muttersprache sprechender Forscher kommt der Brite Sir Richard J. Brook aus Leeds nach Stuttgart.
Im selben Jahr kehrt Manfred Rühle aus Santa Barbara, Kalifornien, an das Institut zurück, wo er bis 1985 als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Aus Stanford, Kalifornien, wechselt 1990 Eduard Arzt ans Institut für Werkstoffwissenschaft und übernimmt den Lehrstuhl für Metallkunde II/Metallphysik an der Universität Stuttgart. Ebenfalls 1990 wird Arthur H. Heuer aus Cleveland, Ohio, Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied.
Im März 1989 stirbt Werner Köster im Alter von 92 Jahren. Der Gründungsdirektor des Stuttgarter Instituts wuchs im Kaiserreich auf, begann seine wissenschaftliche Laufbahn in der Weimarer Republik, baute das Institut in Stuttgart im „Dritten Reich“ auf und entwickelte es im geteilten Deutschland weiter. In seinem Lebensweg spiegelt sich deutsche (Wissenschafts-) Geschichte im 20. Jahrhundert.
Wenige Tage bevor das MPI-MF seinen Nestor mit einer Gedenkfeier verabschiedet, nimmt diese Geschichte eine unerwartete Wendung. Die Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 führt zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Oktober 1990. Ein Jahr nach dem Mauerfall nimmt das MPI mit Johannes Heydenreich aus Halle an der Saale sein erstes Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied aus den neuen Bundesländern auf.